A. Der Klassiker: Übertragung einer Immobilie von den Eltern auf eines der Kinder
Bei dem Klassiker der typischen vorweggenommenen Erbfolge wird das Eigentum an einer Immobilie von den Eltern auf eines der Kind übertragen. Die Eltern werden also im Grundbuch künftig nicht mehr als Eigentümer geführt; sie sind es auch nicht mehr.
Die Eltern behalten sich in der Regel jedoch Rechte vor, einerseits um die übertragene Immobilie auch in Zukunft weiter selbst nutzen und ggf. selbst bewohnen zu können. Andererseits wollen die Eltern auch dafür sorgen, dass in bestimmten Situationen die Immobilie wieder an sie zurückfällt.
Im Zusammenhang mit Immobilienübertragungen können z.B. als Vorbehaltsechte, Gegenleistung oder auch Auflage vereinbart werden:
- Nutzungsrechte (z. B. Wohnungsrecht, Nießbrauch)
- Zahlungspflichten (Ausgleichszahlungen an „weichende Geschwister“; monatliche Rente)
- Rückübertragungsrechte
- Pflichtteilsverzicht und Erbverzicht
Ob und welche Rechte tatsächlich sinnvoll sind und vereinbart werden sollten, ist in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände und Ziele zu beurteilen, die mit der Übertragung zu Lebzeiten verfolgt werden. Soll Vermögen auf noch minderjährige Kinder bzw. Enkelkinder übertragen werden, sind zusätzlich die Vorschriften zum Schutz von Minderjährigen zu beachten.
1. Vorbehalten Nutzungsrechte
Die Elterngeneration behält sich zumeist ein Bündel von Rechten an der übertragenen Immobilie vor. Hierbei kommt es etwa darauf an,
- um welche Art von Immobilie es sich handelt, ob es sich ausschließlich um Wohnräume handelt oder z. B. auch Nutzungsrechte an einer Garage oder einem Garten vorbehalten werden soll,
- ob die Immobilie vermietet ist oder zukünftig vermietet werden soll,
- wem die Nutzungsrechte zustehen sollen,
- ob Rechte miteinander kombiniert werden müssen, um flexibel zu bleiben.
Wohnungsrecht vs. (Mit-)Wohnrecht
Behalten sich die Eltern ein Wohnungsrecht oder Wohnrecht vor, sind sie berechtigt, die Wohnung bzw. das Haus auch weiterhin selbst zu bewohnen. Das Wohnungsrecht kann sich auf dabei auf die gesamte Immobilie erstrecken oder auch nur auf einen Teil der Immobilie. Die Beteiligten können dabei frei regeln, ob sie die Immobilie (insgesamt) künftig alle gemeinsam nutzen wollen (Wohnrecht neben dem Eigentümer an allen Räumen) oder die Eltern als Übergeber der Immobilie das Recht haben, die Wohnung oder einzelne Räume in der Wohnung / dem Haus unter Ausschluss der Kinder als Eigentümer allein nutzen zu können (Wohnungsrecht i.S. des § 1093 BGB, mit dem Recht zur Mitbenutzung der gemeinschaftlichen Anlagen).
Weder das (Mit-)Wohnrecht noch das Wohnungsrecht unter Ausschluss des Eigentümers berechtigen dazu, die Immobilie an Dritte zu vermieten, zu belasten oder gar zu verkaufen. Der Wohnungsberechtigte darf eben in der Immobilie nur „wohnen“.
Nießbrauch vs. Wohnungsrecht
Eltern die aber Immobilie nicht nur bewohnen, sondern ggf. auch vermieten und die Einnahmen aus der Vermietung für sich und ihren Lebensunterhalt behalten möchte, werden sich den Nießbrauch an der übertragenen Immobilie vorbehalten wollen. Das Nutzungsrecht aber auch die Last und Kosten der Immobilie bleiben in diesem Fall zumeist bei den schenkenden Elternteilen, die einerseits durch notwendige Investitionen ihr bedachtes Kind durch die Wertverbesserung zusätzlich begünstigen und andererseits die Aufwendungen steuerlich von ihren Mieteinnahmen abschreiben können (Bitte halten Sie mit Ihrem Steuerberater Rücksprache, wenn Sie steuerliche Ziele mit einer bestimmten Gestaltung verfolgen).
Beim Nießbrauch ist wie beim Wohnungsrecht ein Verkauf oder (zumeist auch) die Belastung der Immobilie durch die schenkenden Elternteile ausgeschlossen.
Aufschiebend bedingte Wohnungsrecht / Nießbrauch zugunsten Ehegatten / Lebenspartner
Sind nicht beide (Stief-)Elternteile Eigentümer der Immobilie, die Übertragen werden soll, ist es dennoch zumeist der Wunsch der Beteiligten, dass das Wohnungsrecht oder auch der Nießbrauch (ganz oder teilweise) nach dem Tod des schenkenden Elternteils bei dem länger lebenden (Stief-)Elternteil verbleibt, er also auch allein in der Wohnung wohnen bleiben oder die Einnahmen aus der Vermietung zur Aufbesserung der Rente verwenden darf. In diesen Fällen kann das Wohnungsrecht / Nießbrauch sogleich auch für den anderen (Stief-)Elternteil, der bisher gar nicht Eigentümer der Immobilie war, im Grundbuch eingetragen werden; das Finanzamt wird in einer solchen Zuwendung eines Rechts jedoch eine (im Grundsatz) schenkungssteuerpflichtige Schenkung sehen. Vor diesem Hintergrund gibt es gute Gründe, dem (Stief-)Elternteil, der bisher nicht Eigentümer der übertragenen Immobilie war, das Wohnungsrecht / den Nießbrauch nur für den Fall einzuräumen, dass er länger lebt als der schenkende Elternteil.
Nießbrauch vs. (lebenslange) Rente
Statt eines Nießbrauchs an der Immobilie, also dem Recht die Immobilie auf eigene Rechnung und eigenes Risiko selbst zu vermieten, kann auch daran gedacht werden, die Vermietung der Immobilie sogleich in die Hände der Kinder zu legen. Die Eltern erhalten „lediglich“ eine (lebenslange) Rente. Der Anspruch auf Zahlung der Rente wird üblicherweise durch eine Reallast abgesichert, die im Grundbuch eingetragen wird.
Flexibel bleiben: Kombination von Nießbrauch bzw. Wohnungsrecht und Rente
Wollen sich die Eltern noch nicht festlegen, ob sie vielleicht später einmal statt der Mühen der Vermietung nur eine monatliche feste Rente erhalten möchte, kann vereinbart werden, dass der zunächst vereinbarte Nießbrauch bzw. das Wohnungsrecht gegen Gewährung einer durch eine Reallast abgesicherten Rente gelöscht wird.
Löschung der Rechte im Grundbuch
Je nach Gestaltungswünsch kann vereinbart werden, dass die vorbehaltenen Rechte, insbesondere das Wohnungsrecht oder auch der Nießbrauch im Grundbuch ohne Weiteres gelöscht werden können, wenn
- der letzte Wohnungsberechtigte bzw. Nießbraucher verstorben ist oder
- bereits mit dauerhaftem Auszug aus der Immobilie, etwa bei einem Umzug in eine Seniorenresidenz
Vorbehaltsrechte und Pflichtteilsergänzungsansprüche
Wenn pflichtteilsberechtigte Personen, insbesondere einseitige Kinder aus früheren Partnerschaften vorhanden sind, zu denen kein Kontakt besteht und deshalb am Nachlass nicht mehr als zwingend nötig beteiligt werden sollen, ist § 2325 BGB zu berücksichtigen. Die Vorschrift lautet:
§ 2325 BGB Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkungen
(1) Hat der Erblasser einem Dritten [Anm.: also z.B. einem seiner Kinder] eine Schenkung gemacht, so kann der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.
(2) (…)
(3) Die Schenkung wird innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt. Sind zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt. Ist die Schenkung an den Ehegatten erfolgt, so beginnt die Frist nicht vor der Auflösung der Ehe.
Gem. § 2325 Abs. 3 BGB wird der zugewendete Gegenstand bei der Berechnung der Pflichtteilsergänzungsansprüche (§ 2325 Abs. 1 BGB) seinem Wert nach jedes Jahr um 10% weniger berücksichtigt (Abschmelzung), so dass nach Ablauf von 10 Jahren keine Pflichtteilsergänzungsansprüche mehr aufgrund der Schenkung bestehen. Voraussetzung für die Abschmelzung ist jedoch, dass die Schenkung tatsächlich bewirkt worden ist, der Erblasser den Gegenstand also wirklich dem anderen überlassen hat. Solange und soweit der Erblasser sich das Nutzungsrecht an dem geschenkten Gegenstand, also z.B. der Wohnung oder dem Haus vorbehalten hat, ist die Schenkung noch nicht bewirkt. Vorbehaltsrechte verhindern also eine Abschmelzung und führen zu höheren Pflichtteilsergänzungsansprüchen.
Sind Schenker und Begünstigter miteinander verheiratet, beginnt die Abschmelzung solange nicht, wie sie verheiratet sind; ob Rechte vorbehalten wurden, ist irrelevant.
Wird mit der lebzeitigen Zuwendung (auch) beabsichtigt, Pflichtteilsergänzungsansprüche zu schmälern, ist Zurückhaltung mit Vorbehaltsrechten geboten.
2. Ausgleichszahlung an weichende Geschwister
Haben die schenkenden Eltern mehr als ein Kind, haben sie oftmals den Wunsch, alle ihre Kinder „gleich“ zu behandeln. Neben den gesetzlichen Ausgleichungsvorschriften (§§ 2050 ff. BGB) gibt es zwei klassische Varianten zur Herstellung dieser Geschwister-Gleichstellung:
In der ersten Variante geben die schenkenden Eltern an eines ihrer Kinder die Immobilie und an die weiteren Kinder einen Barbetrag; diese Variante setzt jedoch voraus, dass die Eltern über ausreichend freies Vermögen Vermögen verfügen, um die Barzahlungen auch leisten zu können.
Ist – wie zumeist – nicht genügend freies Vermögen vorhanden, kann mit der zweiten Variante eine Übertragung gegen Zahlung eines Ausgleichsbetrages an die Geschwister vereinbart werden. Das in der Immobilie gebundene Vermögen wird auf diese Weise gleichmäßig auf die Kinder übertragen. Haben die Eltern beispielsweise zwei Kinder, ist bei der vorgesehenen (Teil-)Schenkung der Immobilie an das eine Kind der hälftige Grundstückswert als Zahlbetrag an die Eltern anzusetzen, bei drei Kindern zwei Drittel. Die Eltern können diesen Zahlungsanspruch dann ihrerseits an die anderen Kinder abtreten; der Anspruch kann zudem gestundet und – soweit gewünscht – durch eine Hypothek gesichert werden.
Die Regelungen zum Pflichtteilsverzicht bzw. zur Pflichtteilsanrechnung sollten hierauf abgestimmt sein und gleichlaufen.
3. Rückübertragungsrecht
Neben den grundsätzlich geltenden gesetzlichen Rückforderungsrechten (§§ 527, 528 BGB) ist es zumeist empfehlenswert, dass sich die schenkenden Eltern Rückforderungsrechte vorbehalten. Mit dem vertraglichen Rückforderungsrecht werden zunächst die Gründe und Voraussetzungen festgelegt, die einen Anspruch auf Rückübertragung der Immobilie entstehen lassen. Zudem werden die Modalitäten der Rückübertragung festgelegt.
Ein Rückforderungsrecht kann beispielsweise vereinbart werden für den Fall, dass
das bedachte Kind vor den Eltern stirbt;
das bedachte Kind zu Lebzeiten der Eltern ohne deren schriftliche Zustimmung über die Immobilie verfügt, insbesondere die Immobilie veräußert oder mit Grundpfandrechten belastet;
Gläubiger auf das geschenkte Vermögen zugreifen, also insbesondere wenn über das Vermögen des bedachten Kindes das Insolvenzverfahren eröffnet wird;
- das bedachte Kind keinen Ehevertrag mit dem Ehepartner geschlossen hat (modifizierte Zugewinngemeinschaft oder Gütertrennung), so dass der zugewendete Vermögenswert bzw. die daraus resultierenden Zugewinne im Falle des Scheiterns der Ehe nicht in den Zugewinnausgleich einbezogen werden;
das bedachte Kind einen „verschwenderischen Lebenswandel“ führt, z.B. sich einer Sekte anschließt oder bei Alkohol- oder Drogenabhängigkeit;
über das bedachte Kind eine Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) angeordnet wird, das Kind also geschäftsunfähig wird.
Sind die Voraussetzungen gegeben und die Eltern zur Rückforderung berechtigt, können die Eltern neu entscheiden, ob die Immobilie im Vermögen des Kindes verbleiben oder aus dem Vermögen wieder „herausgezogen“ wird.
4. Pflichtteilsverzichte und Erbverzichte
Sofern das beschenkte Kind nicht das einzige Kind der Eltern ist, müssen sich die Beteiligten Gedanken über die Auswirkung der lebzeitigen Zuwendung auf etwaige Pflichtteilsrechte zu machen.
Wem steht ein Pflichtteil oder Pflichtteilsergänzungsanspruch zu?
Ist ein Abkömmling eines Erblassers oder dessen Ehegatte durch Verfügung von Todes wegen (Testament, Erbvertrag) von der Erbfolge ausgeschlossen, so kann er von dem oder den Erben den sog. Pflichtteil verlangen (§ 2303 BGB). Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils am Nachlass; hat der Erblasser noch zu Lebzeiten Vermögen weggeben und damit den Wert seines Nachlasses vermindert, können zusätzlich Pflichtteilsergänzungsansprüche entstehen (§ 2325 BGB). Pflichtteilsansprüche und Pflichtteilsergänzungsansprüche können die mit der lebzeitigen Übertragung verfolgten Ziele gefährden.
Erb- oder Pflichtteilsverzichts des beschenkten Kindes
Der Schenkungsvertrag sollte eine Aussage darüber enthalten, ob das bedachte Kind im Wege eines Erb- oder Pflichtteilsverzichts auf eine Teilhabe am verbleibenden Nachlass der Eltern im Erbfall ganz oder auch teilweise verzichtet.
Erb- oder Pflichtteilsverzichts der weiteren Kinder
Einen weiteren regelungsbedürftigen Punkt stellen die Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche der übrigen Kinder dar. Zwar wird die zu Lebzeiten übertragene Immobilie nicht Teil des Nachlasses der Eltern und unterliegt damit nicht dem ordentlichen Pflichtteil. Gemäß § 2325 Abs. 1 BGB können die pflichtteilsberechtigen Geschwister im Erbfall aber Ergänzung des Pflichtteils verlangen um den Betrag, um den sich ihr Pflichtteil erhöhen würde, wenn die geschenkte Immobilie dem Nachlass hinzugerechnet würde. Im Idealfall verzichten die Geschwister – ggf. gegen Ausgleichszahlung – auf ihre Pflichtteilsrechte, soweit sie aus dem Wert der übertragenen Immobilie resultieren.
Anrechnung auf Pflichtteilsansprüche
Von dem Pflichtteilsverzicht ist die Anrechnung der Zuwendung / Schenkung auf den Pflichtteil des beschenkten Kindes zu unterscheiden. Nach § 2315 BGB hat sich das pflichtteilsberechtigte Kind dasjenige auf den Pflichtteil anrechnen zu lassen, was ihm der Erblasser (Elternteil) durch „Rechtsgeschäft unter Lebenden“, insbesondere also durch Schenkung mit der Bestimmung der Anrechnung zugewendet hat. Die Anrechnungsbestimmung muss vor oder spätestens mit der Zuwendung getroffen werden (Palandt/Weidlich BGB § 2315 Rn. 3). Zumeist wird vom Übergeber diese Anrechnung gewünscht.
Wichtig ist, dass die Eltern die Anordnung, dass das Geschenkte auf den Pflichtteil anzurechnen ist, auch bei Geldschenkungen an ihre weiteren Kinder unbedingt (schriftlich) treffen sollte, um die Kinder insgesamt gleich zu behandeln. Im Idealfall werden auch diese Schenkungen notariell beurkundet.
5. Übertragung auf minderjährige Kinder / Enkel
Soll Vermögen auf noch minderjährige Kinder oder Enkelkinder übertragen werden, sind die Vorschriften zum Schutz von Minderjährigen zu beachten. Insbesondere ist in jedem Einzelfall zu klären, ob
- die Eltern als gesetzliche Vertreter des minderjährigen Kindes bzw. Enkelkinder überhaupt für diesen handeln kann oder ein Ergänzungspfleger erforderlich ist.
- das vorgenommene Rechtsgeschäft familiengerichtlich genehmigt werden muss.